Im Oktober 2024 haben die stellvertretende und der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Kinder-Schirm, zusammen mit ihrem wissenschaftlichen Berater, Herrn Prof. Käppler, wieder die drei Partnerorganisationen Centro Universitario Annuncao (vorm. UNIFAI), Don Bosco Mission und die Missao Belem in Sao Paulo besucht. Dieser Besuch diente der Vertiefung des in mehreren unterjährigen Videokonferenzen erfolgten Informationsaustauschs.
Die Gespräche waren – wie in den Vorjahren auch – von großer Offenheit und Herzlichkeit geprägt. Die Partnerorganisationen arbeiten weiterhin mit großem Engagement an der Umsetzung der gemeinsamen Projekte. Es war schön zu sehen, wie sich die Kinder und Jugendlichen, die wir bereits bei unseren letzten Besuchen getroffen hatten, persönlich weiterentwickelt haben.
Die Anzahl der bei Don Bosco und der Centro Universitario Annuncao geförderten Stipendiaten hat sich in 2024 auf insgesamt 16 Studentinnen und Studenten erhöht. Don Bosco hat einen Jura-Studenten aufgenommen und betreut jetzt vier Stipendiaten, Centro Universitario Annuncao hat vier weitere Studenten in das Programm aufgenommen und betreut nunmehr zwölf Studenten.
Wir haben uns auch sehr gefreut, daß Herr Kardinal Scherer, der zugleich auch Großkanzler der Centro Universitario Annuncao ist, sich zwei Stunden Zeit genommen hat, um die Stipendiaten persönlich kennenzulernen.
Wie bereits früher berichtet, richtet sich das Stipendiatenprogramm an junge Menschen, die aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht in ihren Familien aufwachsen konnten und allein dadurch bereits einen schwierigen Start ins Leben meistern mußten. Die Centro Universitario Annuncao hat die Stipendiaten im vergangenen Jahr gebeten, einmal ihre Eindrücke und Empfindungen über dieses Programm aufzuschreiben. Nachfolgend werden einige Gedanken der Stipendiaten zu der unerwarteten Chance, ein Studium ihrer Wahl aufnehmen zu können, wiedergegeben:
Stipendiat A: „… die Erfahrung, die ich mache, indem ich zur Universität gehe, ist einzigartig, denn ich weiß, dass nicht jeder diese Chance hat, die ich habe, weil ich weiß, woher ich komme, und ich freue mich auf den Abschluss, damit ich zurückblicken und sagen kann, dass ich es geschafft habe. Heute möchte ich zur Universität gehen (…) Ich weiß, dass ich viel beizutragen habe, ich weiß auch, dass ich die Welt nicht alleine verändern kann, aber ich lerne, dass ich mitarbeiten und meinen Teil dazu beitragen kann, und damit Familien zu helfen, ich habe auch gelernt, dass Sozialarbeit über das Spenden von Lebensmitteln hinausgeht, und das hat mich noch mehr in diesen Beruf verliebt“.
Stipendiat B: „Ich bin dankbar, dass ich Teil des Projekts bin, ich denke, es ist eine extrem schöne und wichtige Haltung, ich weiß, was ich durchgemacht habe, ich hatte zerstörte Träume, aber ich glaube nicht, dass ich in irgendeinem von ihnen, nicht einmal in den besten, geglaubt hätte, dass ich mit nur 20 Jahren die Universität meiner Träume machen würde, von ganzem Herzen danke ich Ihnen, dass Sie mir das gegeben haben, es war nicht umsonst und ich werde es wertschätzen, es wird nicht ein Zufall sein, das war es nie… Ich werde ewig dankbar sein…“
Stipendiat C: „Ich möchte Ihnen mitteilen, wie dieses Semester verlaufen ist. Es war auch eine Herausforderung, aber ich habe viele Dinge gelernt, die für meine Karriere wichtig sind. Ich wurde in dem Unternehmen eingestellt, in dem ich jetzt arbeite, und ich glaube, dass dies nicht nur durch meine Bemühungen möglich war, sondern auch durch den Zugang zur Bildung und zur Hochschule meiner Träume, den Sie mir ermöglicht haben. Ich freue mich auf das vierte Semester und möchte mich noch einmal herzlich für die Liebe und Unterstützung der Stiftung bedanken.“
Stipendiat D: „… Ich möchte Ihnen sehr für die Chance danken, die Sie mir gegeben haben, Sie sind und werden immer Teil meiner Geschichte sein, der Überwindung, ich habe den Studiengang Business Administration gewählt, und die ersten Tage an der Universität waren eine Herausforderung für mich, ich wusste nicht einmal, wie ich mich im Seminarraum verhalten sollte, weil es mein erstes Mal war, bis heute kann ich nicht glauben, dass ich wirklich meinen Traum lebe.“
Stipendiat E: „… Ich habe mein Bestes gegeben und ich versuche jeden Tag, mich zu verbessern, denn ich glaube, ich bin noch nicht sehr gut, aber das braucht Zeit… aber im Vergleich bin ich besser!“
Stipendiat F: „Hallo, wie geht es Euch? An der Uni ist alles super, ich mag die Professoren und den Unterricht sehr, dieses Jahr fand ich es in einigen Fächern etwas schwieriger, es gibt viele Berechnungen. Nächstes Jahr hoffe ich, dass ich mir mehr Zeit zum Lernen nehmen und meine Noten verbessern kann, dass ich mich mehr auf die einzelnen Fächer konzentriere und dass ich durch mein Studium neue Ziele erreichen kann.“
Stipendiat G: „… Wenn ich jetzt ein bisschen mehr über mich spreche, dann geht es mir gut, auch wenn das Jahr für mich nicht besonders gut angefangen hat, aber es geht mir gut. Ich arbeite immer noch in meinem Beruf als Beraterin, ich liebe, was ich tue, und ich hebe mich beruflich und persönlich immer mehr ab, trotz der Wendungen, die die Welt nimmt, das sind nur Hindernisse (…)“
Stipendiat H: „(…) Aber die Wahrheit ist, wenn man rausgeht und sein Leben wirklich in die Hand nimmt, dann ist es real! Und man merkt, dass man nicht genau weiß, was man damit anfangen will, und es ist leicht, sich zu verirren. Es gibt so viele Möglichkeiten für Erfolg und Misserfolg, viele Menschen kennen sich selbst nicht, sie verbringen so viel Zeit damit, alles zu akzeptieren, was man ihnen sagt, dass allein die Vorstellung, Entscheidungen zu treffen, beängstigend ist, also geht man hinaus und denkt: Was nun? In beiden Fällen haben wir es mit jungen Menschen zu tun, die ihre Chancen immer für andere vorbestimmt haben, die immer auf das „Glück“ hoffen, das für alle da zu sein scheint, nur nicht für sie, und warum nicht? Warum gerade sie? Was unterscheidet sie von gewöhnlichen jungen Menschen, die ein liebevolles Zuhause und eine Reihe von Wahlmöglichkeiten haben, von denen sie nicht einmal wissen, dass sie sie haben – die Türen der Möglichkeiten sind für diese jungen Menschen anders.
Unabhängig von den Geschichten, Umständen und Variablen sind alles, was diese jungen Menschen bekommen haben, alles, was sie wollen, Möglichkeiten, die ihnen eine Stimme, die Macht der Wahl und der Meinung geben werden. Das Projekt ‚Deutschland‘ geht über die Philanthropie hinaus; für dieselben jungen Menschen ist es eine Vorliebe, die ihnen durch den arroganten Blick der gesellschaftlichen Vorurteile nicht immer gegeben wird. Als wäre die Vernachlässigung eine persönliche Entscheidung, die wir akzeptieren, indem wir das Urteil jeden Tag in einen Mantel der Scham hüllen.“
Stipendiat I: „Dieses Projekt gibt den Menschen die Möglichkeit, nicht nur an einer Universität zu studieren, sondern auch etwas über sich selbst zu lernen, Entscheidungen zu treffen, sich für ein besseres Leben zu entscheiden, ein Leben, das nicht jeder haben kann, das nicht jeder die Kraft hat, zu verfolgen, und sich in der Mitte dieses Prozesses zu verirren, ist nicht ungewöhnlich, denn wie ich schon sagte, die Macht der Wahl ist beängstigend. Aber es ist auch ein neuer Weg. Wir danken allen am Projekt Beteiligten für diese Chance und bitten sie, weiterhin an unsere Fähigkeiten zu glauben, denn wir haben viel Potenzial, wir sind mehr als junge Menschen mit einer traurigen Geschichte, wir sind Menschen, die darum gekämpft haben, gesehen zu werden, ausgewählt zu werden und sich eines Platzes in derselben Gesellschaft würdig zu erweisen, die ihnen diese Chance verwehrt hat, und ich, als einer dieser Tausenden von jungen Menschen, sehe eine strahlende Zukunft für uns und besser noch, die von uns gelenkt wird.”
Es ist schön zu sehen, wie sich diese jungen Menschen ihren Traum erfüllen.
Wir werden immer wieder einmal gefragt, wie die Stiftung Kinder-Schirm ihre Projekte finanziert. Sie finanziert sich fast ausschließlich über Erträge aus Kapitalanlagen. Wir werben grundsätzlich nicht aktiv um Spenden, freuen uns aber natürlich sehr über jede Zuwendung, die der Stiftung zugutekommt. So hat ein sehr guter Freund, Herr Hans-Peter Betz, anläßlich seines 60. Geburtstages seine Freunde anstelle eines persönlichen Geschenkes um eine Spende zugunsten der Stiftung Kinder-Schirm gebeten. Seine Gäste waren froh, ihm diesen Wunsch erfüllen zu können. Wir haben uns sehr über diese Unterstützung und die Spenden gefreut und bedanken uns im Namen der Stiftung Kinder-Schirm auch auf diesem Wege ganz herzlich bei ihm und allen seinen Freunden.
Das Kuratorium hat beschlossen, auch in 2025 die Partnerorganisationen in dem bisherigen Umfang weiter zu unterstützen.
P.S. Kurz nach „Redaktionsschluß“ hat uns die überaus erfreuliche Nachricht erreicht, daß der erste Stipendiat sein Studium der Sozialarbeit erfolgreich abgeschlossen hat. Er hat unmittelbar eine Tätigkeit als Sozialarbeiter aufgenommen. Wir gratulieren ihm ganz herzlich und wünschen ihm für seinen zukünftigen Lebensweg alles erdenklich Gute. Wir werden mit ihm in Kontakt bleiben und ihn – bei Bedarf – auf seinem Lebensweg unterstützen.

Auf der Jubiläumsfeier anläßlich des 70-jährigen Jahrestags der Einweihung der Kathedrale von Sao Paulo (Catedral da Sé): Herr Kardinal Scherer, Frau Prof. Karen Ambra (dritte von links), Herr Prof. Christoph Käppler (erster von links), Susanne und Peter Noé